Andreas Oestmann singt über den Krieg in ihm
Er hat MS und macht Musik – Andreas Oestmann (42) arbeitet eigentlich in einer Linoleumfabrik. Doch Musik ist seine Leidenschaft – schon immer gewesen. Daran hat auch die MS nichts geändert. Heute verarbeitet er mit seinem Bandkollegen Andre Hornschuch in der Musik seine Empfindungen. O/H nennen sich die beiden, dabei stehen die Buchstaben für ihre Spitznamen: Oesi & Horni. Ende September kommt ihr erstes Album auf den Markt. Darauf ist u. a. der Titel "Da, für immer", ein Song über Oesis MS-Diagnose.
Oesi, worum geht es in Ihrem neuen Song "Da, für immer"?
Um meine Gedankengänge und die Akzeptanz der Krankheit. Mich hat es ja noch gut getroffen. Bis auf bleibende
"Krieg in mir" und "Flucht nach vorn" erinnern an die Toten Hosen und lassen an Achim Reichel denken – eine breite Spanne ... Wie würden Sie selbst Ihren Musikstil beschreiben? Gibt es Musiker, von denen Sie sagen, dass sie Ihre Musik geprägt haben?
Horni ist der größte BAP-Fan auf Erden und ich bin einer der größten Johnny-Cash-Fans. Ich liebe die melancholischen Texte der American Recordings Alben. Vielleicht prägt mich das beim Texten. Unsere Songs haben aber auch Einflüsse von Blues, Rock und Pop-Rock.
"Krieg in mir" ist ein schnelles, rockiges Lied mit Ohrwurmqualitäten. Es scheint, als ob Sie Ihre gesamte Wut und Trauer bezüglich der Diagnose aus sich "heraussingen" würden. Wie ist der Song entstanden?
Der Gesang kommt bei diesem Song hauptsächlich von Horni. Ich selbst steige erst im zweiten Part im Background ein. Den Text habe ich 2012 während meiner Reha geschrieben. Zu dieser Zeit war meine Psyche sehr angegriffen. Es gab Momente, da wollte ich alles hinschmeißen, dann wieder auch nicht. Der Song beschreibt dieses Dilemma in etwa. Frau Dr. Winnecken und die Liebe zu meiner Frau haben mir aus dem Tief herausgeholfen. Zudem habe ich dann wieder regelmäßig trainiert und gelernt, meine Aktivitäten anders zu organisieren. Bei allem, was man tut, kommt es vor allem auf die Dosis an. In der Reha-Klinik habe ich auch wieder mit dem Gitarrenspielen angefangen. Dort gab es sogar einen Gitarrenlehrer, bei dem man einmal wöchentlich Unterricht nehmen konnte.
Wie lange machen Sie schon Musik und wie kam es dazu?
Mein Vater hat viel Musik mit mir gehört und das habe ich geliebt. Wir haben mit einem kleinen Mikro vorm Radio gesessen und Mitschnitte auf seinen Aufnahmen gemacht. Später habe ich zusammen mit einem guten Freund in unserem Jugendhaus "den DJ gemacht". Noch später haben wir zusammen an Talentwettbewerben teilgenommen – als Rap-Duo. Die Texte habe ich damals auch schon selbst geschrieben. Das ist aber leider im Sande verlaufen und der Sport wurde wieder meine große Leidenschaft. Als ich zum zweiten Mal einen Bauchdeckenriss erlitt, rat man mir, mein Training stark zu reduzieren. Dann habe ich mir gesagt: "Jetzt ist es an der Zeit!" Ich hatte mir immer vorgenommen, Gitarre spielen zu lernen. Und so habe ich 2008 meine erste Gitarre gekauft, mal geübt, dann wieder nicht. Erst mit Horni wurde ich konsequenter. Er hat mich immer wieder mitgezogen. Und so habe ich langsam Fortschritte und das Ganze auch mehr Spaß gemacht.
Was bedeutet die Musik für Sie?
Musik ist für mich ein Ventil für jede Situation, für jeden Gemütszustand. Sie ist wie Medizin für mich.
Wie häufig spielen Sie?
Wir proben und komponieren immer mittwochs und freitags.
Wo treten Sie gewöhnlich auf und wie kann man Ihre CDs erhalten?
Mit den Live-Auftritten hat es gerade erst begonnen. Wir spielen in unserer Gegend, immer dort, wo sich etwas ergibt. Die CDs kann man über unsere Website bestellen und natürlich bei den Live-Auftritten erwerben.
Dann noch ein paar Fragen zu Ihrer Person: Wann wurde bei Ihnen MS diagnostiziert und wie alt waren Sie da?
1999 hatte ich meinen ersten Schub. Damals war ich 28. Da ich aber vorher von einem Arzt zum anderen gelaufen war, kam die Diagnose wohl zu spät. Man hat mich dann mit dem Verdacht auf MS oder eine Virus-Infektion entlassen. Später hatte ich des Öfteren noch kleinere Beschwerden, die ich aber auf mein Training geschoben habe: Kribbeln hier, Taubheit da und totale Niedergeschlagenheit. 2009 galt die Diagnose als sicher. Man konnte im MRT auch sehen, dass zwischendurch kleinere
Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen und was hat Ihnen geholfen, diese besser zu akzeptieren?
Zuerst war ich natürlich sehr geschockt. Eine Gedankenflut hat mich überströmt. Kein Gewichte-Training mehr, den Rollstuhl vor Augen, mein Job und überhaupt? Ich hatte Zukunftsängste, war entsetzt, wütend und auch traurig. Geholfen haben mir meine Frau, mein Neurologe, meine Familie und Freunde. Auch Bücher und Internetseiten, die über die Krankheit aufklären. Eine große Hilfe war außerdem die Reha.
Gibt es etwas, das Sie anderen MS-Betroffenen mit auf den Weg geben wollen?
Da es mich bisher nicht so schwer getroffen hat, wäre es verwerflich von mir, gute Ratschläge zu geben. Man sollte aber versuchen, aus seiner Situation immer das Beste zu machen. Es gibt in unserem Land reichlich Hilfe und Möglichkeiten, die man auch nutzen sollte. Das macht auf jeden Fall einiges leichter.
Haben Sie eine Lebenseinstellung, ein Lebensmotto, das Ihnen durch schwere Schubzeiten hilft?
Die Flucht nach vorn, aber nicht mit dem Kopf durch die Wand!
Neugierig? Hören Sie gleich mal rein!
Mehr Informationen gibt es auch hier: www.o-h.com.de