Blutdrucksenker schützt im Tiermodell vor MS-Symptomen und Myelinverlust
CHICAGO (Biermann) – Mit einem in den USA bereits zugelassenen Medikament gegen Bluthochdruck ist es Wissenschaftlern der Universität Chicago im Tierversuch gelungen, dem Myelinverlust vorzubeugen und die klinischen Symptome der Multiplen Sklerose (MS) zu lindern.
Danach scheint der Wirkstoff Guanabenz einen natürlichen zellulären Mechanismus zu verstärken, der
Das Forscherteam um Dr. Brian Popko hatte zuvor bereits gezeigt, dass Oligodendrozyten einen angeborenen Mechanismus besitzen, der auf Stressoren wie Entzündungsprozesse reagiert. Dieser unterbindet zeitweise die normale Proteinproduktion in der Zelle und kurbelt die Produktion schützender
In der aktuellen Studie fanden die Forscher nun Belege dafür, dass Guanabenz den Schutzmechanismus unabhängig von seinen Blutdruck senkenden Eigenschaften stärkt. Um die Eignung des Wirkstoffes als mögliches MS-Therapeutikum zu testen, behandelten Popko und Kollegen kultivierte Oligodendrozyten mit Interferon gamma, einem Botenstoff, der Entzündungsprozesse fördert, was zu einem verstärkten Myelinverlust und zum Absterben der Zellen führte.
Die Behandlung der Zellen mit Guanabenz beugte dem Myelinverlust vor und ließ die Zellen in nahezu normalem Ausmaß überleben. Oligodendrozyten, die nicht mit Interferon gamma in Kontakt gekommen waren, blieben von dem Wirkstoff unbeeinflusst, was darauf hindeutet, dass er tatsächlich nur auf die Stressreaktion in der Zelle Einfluss nimmt.
Versuche mit verschiedenen Mausmodellen der MS ergaben, dass Tiere, die hohe Mengen an Interferon gamma produzierten, nach der Behandlung mit Guanabenz um ein Vielfaches mehr Myelin und Oligodendrozyten besaßen als unbehandelte Tiere. Bei Tieren, bei denen die Forscher einen Angriff des Immunsystems auf das Myelin künstlich ausgelöst hatten, entwickelten sich zwar MS-Symptome, allerdings zögerte die Gabe von Guanabenz eine Woche nach der Intervention das Auftreten der Symptome deutlich und schwächte deren Intensität ab. Etwa ein Fünftel der Versuchstiere blieben symptomfrei.
Bei Versuchstieren mit schubförmigem MS-Verlauf führte die Gabe des Wirkstoffs direkt nach Erreichen des Symptommaximums zu einer fast 50-prozentigen Verringerung der Symptomschwere während des nächsten Schubs.
Auf molekularer Ebene blockiert der Wirkstoff zeitweise die Reaktivierung eines Proteins mit dem Namen eukaryontischer Initiationsfaktor 2 alpha (eIF2α). Im deaktivierten Zustand setzt eIF2α die Stressreaktion in Gang. Die Blockade seiner Reaktivierung führt zu einer verlängerten Stressreaktion und schützt so vor dem Zelltod.