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Frauen sollten sich durch die MS nicht entmutigen lassen

Die meisten Menschen mit MS erhalten ihre Diagnose in einer Lebensphase, in der sie sich mit dem Thema Familienplanung beschäftigen. Die MS wirft dann viele Fragen auf, führt zu Unsicherheit und Angst - ein Interview mit Dr. Kerstin Hellwig

Das Aktiv mit MS Service-Team hat versucht, einige dieser Fragen im Gespräch mit der Neurologin Dr. Kerstin Hellwig zu klären. Die Ärztin und Wissenschaftlerin forscht an der Universitätsklinik Bochum zum Thema Multiple Sklerose und Schwangerschaft. Sie baut seit knapp vier Jahren ein Register auf, dessen Analyse langfristig zu einer optimalen Betreuung von MS-Betroffenen mit Kinderwunsch führen soll.


Frauen mit MS sind häufig unsicher, ob sie ihren Kinderwunsch umsetzen sollen. Was raten Sie?

Die Frauen sollten sich durch die MS nicht entmutigen oder davon abbringen lassen, wenn es schon immer ihr Wunsch war, eine Familie zu gründen. Wenn Gynäkologe und Neurologe in den Phasen von Familienplanung, Schwangerschaft und Geburt eng zusammenarbeiten, können wir die Frauen gut begleiten.


Wie groß ist die Gefahr, dass die MS vererbt wird?

Die MS ist keine Erbkrankheit. Es gibt jedoch eine gewisse familiäre Veranlagung. Das normale Risiko - wenn beide Eltern gesund sind – liegt bei etwa 0,1 Prozent. Das Risiko erhöht sich auf etwa 3 Prozent wenn ein Elternteil betroffen ist. Dass heißt aber auch: die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind NICHT eine MS entwickelt, liegt bei 97 Prozent. Selbst bei eineiigen Zwillingen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Zwilling eines Menschen mit MS auch betroffen ist, nur bei 30 Prozent.


Zu welchem Zeitpunkt sollte die Schwangerschaft am besten geplant werden?

Die meisten Schwangerschaften werden in stabilen Phasen geplant. Die Frauen sagen sich dann: "Jetzt bin ich gut eingestellt, jetzt bin ich auch bereit, eine Familie zu gründen." Es gibt natürlich auch Frauen, die in Zeiten häufiger SchübeEin Schub bei MS bedeutet, dass neue Symptome oder Beschwerden auftreten oder sich schon bestehende Krankheitszeichen verschlimmern. Dies ist Ausdruck einer erneuten Entzündungsaktivität im Gehirn. schwanger werden. Das ist auch zu schaffen. Das Gespräch mit dem Neurologen ist hier natürlich besonders wichtig.


Beeinflusst die Multiple Sklerose die Fruchtbarkeit?

Die Fruchtbarkeit ist weder bei Frauen noch bei Männern beeinflusst. Etwa 15 bis 20 Prozent der deutschen Paare sind ungewollt kinderlos. Das kann natürlich auch Menschen mit MS betreffen.


Können sich Frauen mit MS einer Kinderwunschbehandlung unterziehen?

Unsere Studien zeigen, dass die hormonelle Stimulation im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung das Schubrisiko erhöht. Das heißt jedoch nicht, dass die Behandlung nicht durchgeführt werden sollte. Die Frauen sollten mit ihrem Neurologen darüber sprechen.


Sollten Frauen mit Kinderwunsch vor der Schwangerschaft ihren Neurologen um Rat fragen?

Ich denke, das ist für Frauen wie Männer mit Multipler Sklerose wichtig, weil immer wieder Fragen zu den Therapien aufkommen. Wir haben festgestellt, dass 80 % der Frauen mit Kinderwunsch darüber mit ihrem Neurologen sprechen. Sie interessiert vor allem, wann ein guter Zeitpunkt für die Schwangerschaft ist und wie es nach der Geburt weitergeht. Auch deshalb konsultieren 60 % der Frauen den Neurologen in der Schwangerschaft, unabhängig von Schüben.


Zu welchem Zeitpunkt sollte die Basistherapie abgesetzt werden?

Eine klare Regel gibt es nicht. Das ist eine ganz individuelle Entscheidung, abhängig vom Wunsch der Frau, ihrem Alter, der bisherigen Schubaktivität und dem Verlauf der MS und der Therapie. Dies muss stets mit dem behandelnden Neurologen besprochen werden.


Wie beeinflusst die MS Schwangerschaft, Kind und Geburt?

Bei Frauen mit MS besteht eine Tendenz zu vermehrten operativen Eingriffen, also Zange, Saugglocke oder auch Kaiserschnitt. Außerdem sind die Kinder etwas leichter als die Kinder von Müttern ohne MS. Der Gewichtsunterschied beträgt allerdings nur 100 bis 150 Gramm.


Wie beeinflussen Schwangerschaft und Geburt den MS-Verlauf?

In der Schwangerschaft sinkt die Schubrate kontinuierlich ab, bis nahezu null im letzten Schwangerschaftsdrittel. In den gesamten neun Monaten erleben 25 Prozent der Frauen Schübe. In den ersten drei Monaten nach der Geburt steigt die Schubrate dann signifikant an. Etwa 30 Prozent der Frauen haben in dieser Zeit einen Schub. Das heißt aber auch: 70 Prozent erleben auch dann keinen Schub. Die Qualität der Schübe verändert sich während und nach der Schwangerschaft nicht. Es kommt also zu keiner Verstärkung oder Abschwächung. Allerdings sind die Schübe für manche Frauen emotional belastender, weil sie in dieser Lebenssituation nicht mit der MS konfrontiert werden wollen.


Wie kommt es zu den veränderten Schubraten?

Man nimmt an, dass die Schwangerschaft immunmodulatorisch wirkt. Die Hormone beeinflussen das ImmunsystemDas Immunsystem ist ein komplexes System von Zellen und Zellfunktionen in einem Lebewesen. Es dient der Abwehr von fremden Substanzen und Krankheitserregern. günstig – im Sinne der MS. Sie drosseln die Immunantwort, damit der Körper das Kind nicht abstößt. Die hormonelle Umstellung nach der Geburt wirkt sich dann wieder ungünstig aus.


Welchen Einfluss hat das Stillen auf die MS?

Die Daten von insgesamt 150 Frauen aus unserem Register zeigen, dass ausschließliches Stillen in den ersten drei Monaten zu einer Schubreduktion führt. Die Schubraten gleichen sich dann irgendwann wieder an. Hier werden wir noch eine detaillierte Analyse vornehmen.



Bei Fragen rund um das Thema Schwangerschaft sollten von MS betroffene Frauen, aber auch betroffene Männer, unbedingt den Kontakt zu ihrem Neurologen suchen.


Weitere Studienteilnehmerinnen gesucht!

 

Dr. Kerstin Hellwig sucht weiterhin Frauen mit MS, die von ihren Erfahrungen berichten. Interessierte Frauen, die schwanger sind oder werden wollen, sowie Frauen, die eine Hormonbehandlung planen oder bereits durchgeführt haben, können eine Mail mit ihrer Telefonnummer senden an: k.hellwig@klinikum-bochum.de. Die Studienleiterin wird die Interessentinnen dann anrufen. Die  Daten werden anonymisiert ausgewertet.



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