Neues Konzept zur Entstehung von Multipler Sklerose
HALLE/LEIPZIG (Biermann) – Wissenschaftler der Universitätsmedizin Halle (Saale) haben auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Leipzig eine neue Theorie zur Entstehung der Multiplen Sklerose (MS) vorgestellt. Danach lösen Hüllproteine von Retroviren die Entzündungsprozesse im zentralen Nervensystem aus.
„Bisher hat man vor allem den Ansatz verfolgt, dass es sich um eine Fehlleitung des Immunsystems handelt. Zahlreiche Befunde sprechen allerdings gegen die Auffassung, dass MS primär entzündlich entsteht“, erklärte Dr. Alexander Emmer von der Universitäts- und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Halle (Saale).
Emmer bezieht sich damit auf Befunde, wonach sich die MS-typischen Läsionen in Gehirn oder Rückenmark über längere Zeit ohne jedwede Entzündung entwickeln. Erst später wandern dann Entzündungszellen aus dem Blut in die Läsionen ein. „Wir gehen davon aus und forschen dazu seit einigen Jahren, dass Hüllproteine von humanen endogenen Retroviren als sogenannte ‚Superantigene‘ der Auslöser der für MS typischen sekundären Entzündungsvorgänge im zentralen Nervensystem sind“, sagte Emmer. Humane endogene Retroviren (HERV) kommen in großer Zahl im menschlichen Genom vor. Sie sind im Laufe der Evolution bereits vor sehr langer Zeit Bestandteil des Genoms geworden.
Erst Degeneration, dann Entzündung
Das Konzept einer durch Autoimmunität gegen
Erst nachfolgend könne sich in diesem Bereich des betroffenen Gehirns eine Entzündungsreaktion abspielen, die zu Symptomen führe und im MRT nachgewiesen werden könne. Das Auslösen dieser Prozesse durch Superantigene könnte ein Teil der Pathogenese von MS sein, so der Wissenschaftler weiter.
Umwelteinflüsse, im Verdacht steht hier beispielsweise das Epstein-Barr-Virus, können dazu führen, dass schlafende HERV-Sequenzen im menschlichen Erbgut im zentralen Nervensystem wieder aktiviert werden. Ob und wie diese HERV-
Wenn sich ihre Theorie bewahrheite, könne der degenerative Anteil in der Pathogenese der MS durch neue therapeutische Ansätze beeinflussbar sein, so der Forscher.
Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 20.09.2017