Verschlechtert Stress MS-Beschwerden?

BERLIN (Biermann) – Viele Menschen mit Multipler Sklerose (MS) haben das Gefühl, dass Stress ihren gesundheitlichen Zustand verschlechtert. Nun haben Wissenschaftler der Berliner Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) möglicherweise eine Erklärung für den häufig berichteten Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und dem Fortschreiten der MS gefunden.
Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie hatte Dr. Martin Weygandt, Wissenschaftler am NeuroCure Clinical Research Center der Charité, gemeinsam mit Kollegen die Hirnaktivität von 36 MS-Betroffenen und 21 Kontrollpersonen untersucht. Während der Untersuchung waren die Teilnehmer der Studie leichtem psychologischem Stress ausgesetzt: Sie sollten anspruchsvolle Kopfrechenaufgaben lösen, für die sie mit Schulnoten bewertet wurden. Anschließend korrelierten die Forscher die erfasste Hirnaktivität der Studienteilnehmer mit ihren MS-Symptomen und dem Volumen ihrer Hirnsubsubstanz.
Dabei fanden sie einen Zusammenhang zwischen stressbedingter Aktivität in bestimmten Gehirnregionen einerseits und dem Verlust an Hirnvolumen sowie der motorischen und kognitiven Beeinträchtigung der Studienteilnehmer andererseits. Interessanterweise zeigte sich jedoch auch bei den Kontrollpersonen in der gleichen Hirnregion eine Verknüpfung zwischen dem Hirnvolumen und stressbedingter Aktivität des Gehirns.
„Unsere Daten legen nahe, dass sich der Zusammenhang von reduziertem Hirnvolumen und stressbedingter Hirnaktivität bei MS nicht ausschließlich aus einer gesteigerten Stressempfindlichkeit als Folge der Autoimmunstörung herleiten lässt“, erklärte Weygandt die Ergebnisse.
Um die gefundenen Zusammenhänge noch detaillierter zu erforschen, wollen die Forscher nun Verlaufsstudien durchführen. „Nur Langzeitstudien werden genauere Hinweise darüber liefern können, ob psychischer Stress tatsächlich eine Ursache neurodegenerativer Prozesse bei MS ist“, erklärte Prof. Friedemann Paul vom NeuroCure Clinical Research Center. „Hier erhoffen wir uns außerdem Erkenntnisse über die mögliche Eignung neuronaler Stressreaktionen als prognostischer Marker für den MS-Erkrankungsverlauf.“
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) USA, 7. November 2016;doi: 10.1073/pnas.1605829113.