Welche Therapie für welche Multiple Sklerose?

MS lässt sich nicht heilen. Es gibt jedoch eine Reihe von Medikamenten, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen und schwerwiegenden Folgen vorbeugen können.
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Die Behandlung stimmt die Ärztin oder der Arzt auf jeden MS-Patienten persönlich ab – das heißt auf deine MS-Form, deinen Krankheitsverlauf und deine Lebenssituation. Je früher mit der Therapie begonnen wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Hier informieren wir dich darüber, welche Medikamente und nicht-medikamentöse Therapieformen es gibt.

Die drei Säulen der MS-Therapie

Menschen mit Multipler Sklerose haben unterschiedliche MS-Formen, Verläufe und Anzeichen. Daher gibt es keine einheitliche Therapie, die für jeden Betroffenen geeignet ist. MS-Therapien umfassen vielmehr verschiedene Bausteine. Mediziner unterscheiden drei Grundformen der Behandlung:

  • Schubtherapie oder auch Stoßtherapie: Sie kann einen akut auftreten Schub verkürzen und Symptome mildern.
  • verlaufsmodifizierende Therapie: Die Dauerbehandlung soll das Fortschreiten der MS hemmen.
  • symptomatische Therapie: Das Ziel ist es, Krankheitsanzeichen und die Lebensqualität langfristig zu verbessern.1

Bei Bedarf können die Optionen kombiniert werden – die Ärztin oder der Arzt passt die Behandlung dabei individuell an deine Bedürfnisse an. Welche Behandlung für dich geeignet ist, hängt unter anderem von der Form der MS ab, unter der du leidest. Deine behandelnde Ärztin oder dein behandelnder Arzt berücksichtigt außerdem das Stadium und den Verlauf deiner Erkrankung, die vorherrschenden Symptome, dein Alter, Geschlecht, einen eventuellen Kinderwunsch und weitere vorhandene Erkrankungen.

Wie wird ein MS-Schub behandelt?

Ein Schub ist ein Notfall. Suche umgehend deine Neurologin oder deinen Neurologen auf, wenn du MS-typische Anzeichen bemerkst oder bereits bestehende neurologische Symptome zunehmen. Deine Ärztin oder dein Arzt kann schnell erkennen, ob es sich um einen MS-Schub handelt, und die Behandlung einleiten.2

In der Regel setzen Ärzte bei einem Schub Kortison als Stoßtherapie ein: Die Kortison-Therapie hemmt MS-bedingte, akute Entzündungen in Rückenmark und Gehirn, die die Nervenzellen schädigen. Das Ziel der Therapie ist es, Schübe zu verkürzen und die Krankheitsanzeichen zu bekämpfen. Das Kortison wird hochdosiert über eine kurze Zeit – in der Regel drei bis fünf Tage – angewendet.

Viele Menschen fürchten die Nebenwirkungen der Kortison-Infusion. Diese fallen jedoch bei einer Schubtherapie eher gering aus, da das Kortison nur für eine kurze Dauer angewendet wird. Da Magenbeschwerden zu den möglichen Therapiefolgen gehören, erhalten Betroffene meistens vorbeugend ein Präparat zum Schutz des Magens. Bilden sich die Symptome nicht zurück, kann die Infusionstherapie wiederholt werden – eventuell mit einer höheren Dosis. Für eine Langzeit-Behandlung eignet sich Kortison jedoch nicht: Es würde auf Dauer nicht den Krankheitsverlauf verbessern und zudem starke Nebenwirkungen verursachen.

Tipps rund um die Kortison-Therapie

  • Ernährung anpassen: Kortison erhöht den Bedarf an bestimmten Vitaminen und Mineralien – beuge daher am besten mit einer angepassten Ernährung Mangelerscheinungen vor.3 Als vorteilhaft gilt eine ausgewogene Ernährung, die Antioxidantien, Vollkornprodukte, Vitamin D und Kalzium umfasst und arm an tierischen Fetten ist.
  • Kortison zu Tagesbeginn: Versuche, die tägliche Kortisongabe möglichst früh auf den Morgen zu legen. Denn zu dieser Tageszeit produziert der Körper selbst am meisten Kortison. Außerdem kannst du so Schlafstörungen vorbeugen, da Kortison eine anregende Wirkung hat.
  • Regelmäßig bewegen: Wenn du regelmäßig spazieren gehst oder gelegentlich Sport treibst, kannst du Folgeerkrankungen der MS vorbeugen: Bewegung stärkt die Knochen, verhindert den Abbau von Muskeleiweiß und reguliert den Blutzuckerspiegel.
  • Infekten vorbeugen: Da Kortison das Immunsystem beeinträchtigt, kannst du während der Therapie eventuell besonders anfällig für Infekte sein. Achte daher auf eine gute Hygiene und meide Menschenmengen. Eine gute Mundhygiene hilft, einem Pilzbefall der Mundschleimhaut vorzubeugen.
  • Therapie einhalten: Breche deine Kortison-Therapie auf keinen Fall eigenmächtig ab! Der Erfolg deiner Behandlung hängt unter anderem davon ab, ob du den Anordnungen der Ärztin oder des Arztes folgst. Melde dich sofort bei deinem Arzt, wenn größerer Durst, verstärktes Wasserlassen, Fieber oder andere Hinweise auf einen Infekt auftreten.4

Akute MS-Schübe: Welche Therapie kann mir helfen, wenn Kortison nicht ausreicht?

Treten schwere Schübe auf oder zeigt das Kortison keine Wirkung, kommt eine sogenannte Blutwäsche (Plasmapherese) als Kurzzeit-Therapie infrage. Vor der Behandlung wird dem Betroffenen Blut entnommen. In speziellen Apparaturen wird es vom Plasma – dem zellfreien Anteil des Bluts - gereinigt und durch neues Plasma ersetzt. Auf diese Weise wird das Blut der Betroffenen von sogenannten Autoantikörpern gereinigt, die bei MS die Nervenzellen im zentralen Nervensystem angreifen.5

MS dauerhaft behandeln: Die verlaufsmodifizierende Therapie

MS-Schübe stellen nur einen Teil der Krankheits-Aktivität dar: Sie sind bildlich gesprochen die Spitze eines schwimmenden Eisbergs, der sich zum größten Teil unter Wasser befindet. Denn Multiple Sklerose schreitet „im Verborgenen“ fort, auch wenn kein Schub auftritt. Daher ist bei MS neben der Therapie akuter Schübe eine Langzeit-Behandlung wichtig.6

Die verlaufsmodifizierende Langzeit-Therapie setzt bei der Ursache der Erkrankung an und ist die einzige Behandlung, die den Verlauf der Multiplen Sklerose dauerhaft abmildern kann. Die Therapie bremst die Entzündungsaktivität im zentralen Nervensystem und damit das Fortschreiten der MS. Sie trägt auch dazu bei, dass weniger Schübe auftreten.

Wie funktionieren die Langzeit-Therapien der Multiplen Sklerose?

Die verlaufsmodifizierende Therapie reguliert das Immunsystem, das bei MS aus dem Gleichgewicht gerät und körpereigenes Gewebe angreift. Auf diese Weise mildert die Therapie den Krankheitsverlauf.

Mediziner unterscheiden sogenannte Immunmodulatoren und Immunsuppressiva:

  • Immunmodulierende Medikamente „verändern“ das Immunsystem, indem sie seine überschießenden Reaktionen dämpfen:  Immunstimulierende und immunhemmende Mechanismen gelangen durch die Behandlung wieder ins Gleichgewicht. Immunmodulatoren wirken unterschiedlich: Sie hemmen entweder bestimmte Botenstoffe im Immunsystem oder beeinflussen die Kommunikation der Immunzellen.
  • Immunsupprimierende Arzneimittel hingegen „unterdrücken“ das Immunsystem, um seinen schädigenden Angriff auf das Nervensystem zu verhindern. Sogenannte selektive Immunsuppressiva blockieren gezielt bestimmte Funktionen des Immunsystems und werden in der verlaufsmodifizierenden MS-Therapie häufiger eingesetzt als unspezifische Immunsuppressiva. Diese hemmen das gesamte Abwehrsystem des Körpers.

Wann sollte ich bei MS mit der Langzeit-Therapie beginnen?

Mit der verlaufsmodifizierenden Therapie sollten Betroffene möglichst frühzeitig nach der Diagnose beginnen:

Je früher mit der Langzeit-Therapie begonnen wird, desto milder verläuft in der Regel die Erkrankung. Denn gerade in der frühen Phase der MS ist die Entzündungsaktivität oft sehr hoch, und es treten viele Schübe auf. Setzt die Therapie zu spät ein, besteht daher das Risiko von bleibenden Einschränkungen.8

MS-Anzeichen gezielt behandeln: Die symptomatische Therapie

Aufgrund deiner MS kann es sein, dass du in Alltag und Beruf eventuell eingeschränkt bist. Als ein wichtiger Baustein der Multiple Sklerose-Behandlung kann dir die symptomatische Therapie helfen, Krankheitsanzeichen zu lindern und deine Lebensqualität zu verbessern.

Ziel der symptomatischen Therapie ist es auch, sogenannte sekundäre Symptome zu verhindern – also Krankheitsanzeichen, die infolge von bestehenden MS-Symptomen entstehen. So kann eine heftige Spastik Schmerzen verursachen. Gehstörungen wiederum belasten oft die Gelenke in unterschiedlichem Maß, so dass eine Arthrose entstehen kann.

Die symptomatische Behandlung ergänzt die Schubtherapie bzw. die verlaufsmodifizierende Therapie und umfasst sowohl Medikamente als auch nicht-medikamentöse Therapien.9,10,11

Diese Medikamente können MS-Anzeichen lindern

  • Schmerzmittel
  • Arzneimittel, die die Muskulatur entspannen

Welche MS-Therapien können mir neben Medikamenten helfen?

Diese Therapien können bei Multiple Sklerose ohne Medikamente Krankheitsanzeichen lindern:

  • Physiotherapie
  • Logopädie
  • Psychotherapie
  • Neuropsychologische Therapie
  • Multimodale Rehabilitation (=Kombination verschiedener Therapieansätze zur Rehabilitation)
  • Tiergestützte Therapien12

Physiotherapie

Mit der Physiotherapie kannst du deine Muskelkraft stärken. Die Therapie verbessert außerdem deine Ausdauer sowie Koordination und hilft dir so, ein aktives Leben mit Multiple Sklerose zu führen. Die Behandlung kann z. B. die Auswirkung von Lähmungen und Spastik verringern.

Tipp

Bleibe auf jeden Fall am Ball! Ergänze am besten das Training mit deinem Therapeuten und trainiere einzelne Übungen zu Hause.13

Logopädie

Kannst du nur noch eingeschränkt sprechen und / oder schlucken? Dann ist die Logopädie, d. h. heißt die Sprach- und Stimmtherapie Teil der Rehabilitation. Eine Sprachtherapie kann dir helfen, die Muskulatur von Zunge, Wangen, Lippen und Mund zu stärken. Schluckbeschwerden können zusätzlich durch Atemübungen, Haltungstraining und eine angepasste Ernährung behandelt werden.14

Psychotherapie

Der Verlauf der Multiplen Sklerose ist unvorhersehbar – und damit auch die Veränderungen, die die Erkrankung für das Privat- und Berufsleben mit sich bringt. Vielleicht leidest auch du unter Angst, Unsicherheit und Traurigkeit. Dann kann dir eine begleitende psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung helfen.15

Neuropsychologische Therapie

Ein geeigneter Behandlungsansatz bei MS ist auch die neuropsychologische Therapie. Sie wurde speziell für psychische Störungen entwickelt, die infolge einer Erkrankung oder Verletzung des Gehirns auftreten – so wie es bei Multiple Sklerose der Fall ist. Die Therapie umfasst das intensive Trainieren von Gedächtnis und Aufmerksamkeit, die Unterstützung des Betroffenen bei der Rückkehr in den Alltag und das Erlernen ausgleichender Strategien, um Einschränkungen im Alltag zu bewältigen. Diese Behandlung wird von Psychotherapeuten mit der Zusatzqualifikation „Klinische Neuropsychologie“ angeboten.16

Multimodale Rehabilitation

Die multimodale Rehabilitation ist eine intensive symptomatische Behandlung, die verschiedene Therapieansätze kombiniert. Das Ziel ist es, körperliche Fähigkeiten zu erhalten und Einschränkungen, die durch die Multiple Sklerose hervorgerufen wurden, aufzuheben. Die Rehabilitation umfasst folgende Disziplinen: Physio- und Ergotherapie, Sporttherapie, physikalische Therapie, Logopädie, neuropsychologische Therapie, Psychotherapie sowie Kunst- und Musiktherapie.17


Referenzen:

  1. https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-infos/ms-behandeln/einleitung/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  2. https://www.netdoktor.de/krankheiten/multiple-sklerose/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  3. https://www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/mit-richtiger-ernaehrung-kortison-nebenwirkungen-verringern.html (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  4. https://rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/kortison-sieben-wichtige-regeln-fuer-die-therapie_iid-9603711#6 (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  5. https://www.netdoktor.de/krankheiten/multiple-sklerose/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  6. Ebd.
  7. unter https://www.msges.at/multiple-sklerose/therapieformen (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  8. https://www.netdoktor.de/news/ms-therapie-je-frueher-desto-besser/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  9. https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-infos/ms-behandeln/symptomatische-therapie/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  10. https://www.amsel.de/multiple-sklerose/behandeln/die-symptomatische-therapie-der-ms/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  11. https://flexikon.doccheck.com/de/Multiple_Sklerose (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  12. https://www.amsel.de/multiple-sklerose/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  13. https://www.physio-deutschland.de/patienten-interessierte/krankheitsbilder/neurologische-erkrankungen/multiple-sklerose.html (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  14. https://www.ms-klinik.de/de/leistungsspektrum/therapie/logopaedie.html (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  15. https://www.ms-klinik.de/de/leistungsspektrum/medizin/neurologisch-psychiatrisch.html (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  16. https://www.ms-klinik.de/de/leistungsspektrum/therapie/neuropsychologie.html (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
  17. https://www.amsel.de/multiple-sklerose/behandeln/rehabilitation-bei-multipler-sklerose/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)